Januar 2022: In den langen Lockdown-Zeiten haben Eltern verstärkt mit ihren Kindern zu Hause lernen müssen und hatten Zeit, einen genaueren Blick auf die Handschrift Ihres Kindes zu werfen. Viele fragen sich:
Was läuft falsch in der Handschrift meines Kindes?
Auf dieser Homepage können Sie viele Hinweise auf Hindernisse finden, die sich durch falsche Schreibweisen in der Schrift aufgebaut haben. Eine umständliche Art zu schreiben haben sich viele Kinder schon mit den ersten Druckbuchstaben angewöhnt. Die Verbindungen der Schreibschrift sind dann ebenfalls oft eigenwillig gestaltet und funktionieren nicht richtig. Das ist nicht die Schuld der Kinder, sondern Folge fehlender Anleitung und Übung. Schriftdidaktik spielt in den Grundschulen eine zu geringe Rolle.
Tipp zu einer ersten Überprüfung der Schrift:
Lassen Sie Ihr Kind die Druckbuchstaben des Alphabets schreiben und kreisen alle ein, die bewegungsfalsch geschrieben werden. Wichtig sind die Kleinbuchstaben! Großbuchstaben kommen nur selten vor.
Überprüfen Sie in der Schreibschrift zum Beispiel die Verbindungen der Linksovale. Wie schließt ihr Kind c, a, d, g, o und q an andere Buchstaben an?
Und wenn Ihr Kind noch keine Schreibschrift gelernt hat, wäre jetzt ein günstiger Zeitpunkt, sie einzuüben. Wenn Sie selbst Schreibschrift schreiben können, können Sie Ihr Kind viel gezielter und intensiver anleiten als es in der Schule normalerweise möglich ist.
„Wenn man schnell und gut schreiben könnte, dann würde Schule wahrscheinlich richtig Spaß machen.“ Diese Aussage eines Fünftklässlers beschreibt eindrucksvoll die Beeinträchtigung, die viele Kinder im Schulalltag erfahren, wenn sie nur mit großer Anstrengung und nur unleserlich schreiben können.
Die Handschrift bleibt trotz des verstärkten Einsatzes neuer Medien auf absehbare Zeit das „Handwerkszeug“ der Schule. Kinder, die schriftliche Aufgaben nur mit Mühe erstellen und anschließend selbst kaum lesen können, sind schulisch benachteiligt. Sie können ihre eigenen Aufzeichnungen nicht als sinnvolle Lerngrundlage nutzen, sie entwickeln Aversionen gegen das Schreiben und ihre Motivation wird in vielen Lernsituationen gehemmt.
Betroffene Kinder erleben ihr Schriftproblem als persönliches Defizit. Eltern und Lehrer vermuten allzu leicht mangelnde Anstrengungsbereitschaft oder motorische Störungen. Die wiederholte Aufforderung „Nun schreib doch ordentlich!“ demotiviert zusätzlich, wenn das Kind gar nicht koordiniert und korrekt schreiben kann. Und das ist häufig der Fall!
Immer mehr Kinder haben ihre Schrift durch reines Abbilden der Einzelbuchstaben selbst entwickelt. Sie waren stets bemüht, alles korrekt abzubilden, und dennoch - besser gesagt, gerade deshalb - entsteht keine geläufige Schrift. Eine ökonomische Koordination der Schrift und das Training eines Schreibrhythmus muss den Kindern gezeigt werden. Schriftkoordination kann sich durch "Abmalen" nicht erschließen.
Wie können Deformationen und Entgleisungen der Schrift entstehen?
Welche Korrekturmöglichkeiten gibt es?
Welche didaktischen Diskussionen und Prioritäten bestimmen der Schrifterwerb?
Nimmt die Bedeutung der Handschrift tatsächlich ab? Welche Bedeutung hat die Schreibschrift?
Veröffentlichungen und Kommentare von Maria-Anna Schulze Brüning zu diesen Themen
Hier ein Beispiel einer Schrift, der man die Mühen des Schreibens ansieht. Eine Vereinfachte Ausgangsschrift: Buchstabe für Buchstabe ist die Schrift aneinandergeknüpft. Ein Schreibfluss ist nicht erkennbar. Das Schrifttempo betrug vor dem Schrifttraining weniger als 30 Buchstaben pro Minute.
Die Schrift des folgenden Schülers war schon allein aufgrund des geringen Tempos in der Druckschrift sowie in der Schreibschrift als schulisches Arbeitsmedium ungeeignet. Gemessen wurde im ersten Textabschnitt (bis zum Stiftwechsel) der Fortschritt in 2 Minuten. Die Verlangsamung war durch eigenwillige, kontraproduktive Linienführungen begründet, die der Schüler sich von Anfang an so angewöhnt hatte - durch Abmalen der Buchstaben.
Ohne gezielte Hilfe finden Schüler keinen Ausweg aus ihrer "verunglückten" Schrift und nicht zu einem koordinierten Schreibfluss.
Um es ganz verkürzt zu sagen: Eine Handschrift - gleich, ob Druckschrift oder Schreibschrift - muss trainiert sein und sie muss einem bewegungsrichtigen Ablauf folgen: meistens von oben nach unten und von links nach rechts (außer z.B. bei den linksbogigen Buchstaben c, a, d, o, g, q).
Ist diese Bedingung nicht erfüllt, dann "läuft" die Schrift nicht, dann "hinkt" und "stolpert" sie.
Betroffene Schüler haben ihre Handschrift nicht absichtlich unleserlich und schwer schreibbar gestaltet, sondern sie nach "bestem Wissen und Gewissen" selbst entwickelt. Sie konnten die Hindernisse, die im Bewegungsablauf ihrer Schrift wirksam werden, nicht erkennen. Viele haben immer wieder durch Abschreiben geübt - ohne Erfolg - , denn "more the same" nützt nichts, wenn etwas grundsätzlich nicht funktioniert.
Meine Erfahrungen konnte ich jetzt in einem Buch zusammenfassen. Beobachtungen und Anregungen zur Handschriftentwicklung, die Sie auf dieser Homepage finden, sind dort um viele weitergehende didaktische Aspekte ergänzt. Mein Co-Autor, Stephan Clauss, widmet sich der Geschichte und der Zukunft des Handschreibens. Im Mittelpunkt des Buches steht in erster Linie die Perspektive der Schüler, denen heute das Arbeitsmedium Handschrift nur bedingt zur Verfügung steht, aber auch die Frage, was der drohende allgemeine Verlust der Handschrift in der digitalen Kommunikationswelt für das Lernen bedeuten würde.
Das Buch erschien am 03.04.17 ISBN 978-3-492-05824-7
Hier der Link zu einem Blick ins Buch:
Das Buch ist inzwischen auch als Taschenbuch erhältlich!
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